Gastbeitrag: Die Offshore-Windenergie muss der Motor einer klimaneutralen Industrie werden

Der Gastbeitrag von Dr. Ingrid Nestle und Heribert Hauck, Trimet Auluminium, ist am 08. September 2020 im Energate Messenger erschienen.

Im Wirtschaftsausschuss steht diese Woche die Zukunft der Offshore-Windenergie zur Diskussion. Alle erhoffen sich ein deutliches Signal für mehr Offshore-Windenergie und die Rettung der Energiewende. Auch die energieintensive Industrie wartet auf die versprochenen großen Mengen an Offshore-Windenergie, um auf eine klimaneutrale Produktion umstellen zu können. Doch die vorgelegten Änderungen im Ausschreibeverfahren beunruhigen nicht nur die Grünen und die Windbranche, sondern auch die Industrie. Statt den dringend benötigten Ausbau zu unterstützen, sollen insbesondere die regulatorischen Risiken zu 100% auf die Betreiber und somit den Strompreis der Verbraucherinnen und Verbrauchen abgewälzt werden. Ein Anschub für die Offshore-Windenergie sieht anders aus. Hier benötigt wir Investitionssicherheit, Kostenminimierung für die Gesellschaft und ausreichend Erneuerbare Energie für unsere Klimaziele und die Versorgung der energieintensiven Wirtschaft.

In Großbritannien, Dänemark, Italien und Frankreich hat man sich bereits für einen Weg entschieden: die Einführung von Differenzverträgen (engl. Contract for Difference oder kurz CfD). BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch TRIMET, als mittelständischer familiengeführter Aluminiumhersteller, setzen sich für die Einführung von Differenzverträgen auch in Deutschland ein. Dabei wird nach erfolgreicher Auktionsteilnahme der im Wettbewerb erfolgreiche – günstigste – Zuschlagspreis für 20 Jahre garantiert – mit dem entscheidenden Unterschied zur bisherigen Lösung, dass der Anlagenbetreiber bei höheren Börsenstrompreisen die Differenz an das EEG-Konto zahlen muss und bei niedrigen Börsenstrompreisen trotzdem seine Zuschlagsvergütung erhält. Er bekommt also nie mehr, sondern genau den in der Auktion festgeschriebenen Preis. Das ist genau die Sicherheit, die wir brauchen!

Für die energieintensive Industrie ist nachhaltiger Strom zu international wettbewerbsfähigen Preisen ein wichtiger Standortfaktor. Planungssicherheit ist auch hier für die Transformation zur emissionsarmen Produktion entscheidend. Egal ob in der Aluminium- oder in der Offshore-Industrie: Die notwendigen Investitionen beanspruchen sehr lange Zeiträume, sowohl im Hinblick auf Planung als auch bis sie sich amortisieren. Daher muss der Gesetzgeber die Investitionssicherheit besonders in einer so kritischen Infrastruktur garantieren.

Günstig wird und bleibt der Strom aufgrund der Absicherung der langfristigen Risiken und Preisschwankungen, da die Bank keinen Risikoaufschlag auf die Projektfinanzierungskosten erheben muss. Laut Berechnungen renommierter Fachinstitute (z.B. DIW und Aurora) führt die Absicherung durch einen Differenzvertrag zu einem deutlichen Anstieg der Investitionsbereitschaft bei gleichzeitig spürbar sinkenden Strompreisen für Offshore-Windstrom. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, dann sind wir auf einen massiven Ausbau der Offshore Kapazität angewiesen. Denn wir brauchen nicht nur günstigen, sondern vor allem viel mehr erneuerbaren Strom. Für die Wasserstoffproduktion, die stromintensive Grundstoffindustrie, die Sektorenkopplung und für uns alle.

Es wäre fatal, wenn Industriekunden zu wenig Strom zur Verfügung haben, weil wir uns verkalkuliert hätten und die geplanten 40 GW Offshore-Anlagen bis 2040 doch nicht gebaut sind. Dies passiert, wenn Anlagenbetreiber zum Beispiel trotz erfolgreicher Ausschreibung ihre Anlagen aufgrund von Unrentabilität nicht errichten oder bereits errichtete Anlagen vorzeitig dauerhaft abschalten müssen. Besteht dieses Risiko, wandern nicht nur die Erneuerbare-Energien-Branche und die Investoren ins Ausland ab, sondern auch unsere Industrie. Die Auswirkungen für unseren Arbeitsmarkt und die Versorgungssicherheit wären fatal. Wohlgemerkt, allein die chemische Industrie würde ab Mitte 2030 jährlich 628 Terrawattstunden CO2-freien Strom benötigen, um klimaneutral produzieren zu können – mehr als der aktuelle Gesamtstrombedarf Deutschlands.

Optionen zur Nutzung der fluktuierenden Erzeugung eines Offshore-Windparks sind bereits vorhanden: So könnte beispielsweise eine von TRIMET entwickelte Pilotanlage durch lastflexiblen Einsatz (Virtuelle Batterie) einen erheblichen Anteil ihres Aluminiums ohne zusätzliche teure Strukturierungsmaßnahmen des volatilen Erzeugungsprofils mittels emissionsfreiem Windstrom herstellen. Vorausgesetzt, die angebotenen Strompreise sind  international wettbewerbsfähig. Doch nicht nur energieintensive Unternehmen, sondern auch die Verbraucherinnen und Verbraucher können von den günstigen Gestehungskosten für Offshore-Windenergie profitieren, die Differenzverträge berechenbar und zuverlässig ermöglichen.

Die Klimakrise gibt uns nicht die Zeit, 2040 nochmal neu anzusetzen, falls es aufgrund spieltheoretischer Dynamiken und einem Unterbietungswettbewerb doch nicht für 65% Erneuerbare Energie des Bruttostromverbrauchs gereicht hat.