Meine Rede zum Effizienzgesetz

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wenn ich diese Tage viele der Kommentare
von Ihnen höre, werte Kollegen der CDU/CSU-Fraktion,
zu erneuerbarer Wärme, zu fairer Wärme, dann habe ich
den Eindruck, Sie haben schon völlig vergessen, über was
wir im letzten Winter und im letzten Herbst hier diskutiert
haben. Sie erinnern sich anscheinend schon jetzt nicht
mehr daran, wie nahe wir an der Gasmangellage waren,
wie teuer, wie unbezahlbar fossiles Gas war und wie sehr
wir hier gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht haben,
unsere Abhängigkeit von fossilem Gas zu reduzieren.
Das bleibt weiter ein zentrales Anliegen; denn die Krise
ist nicht vorbei, nur weil Sommer ist und draußen vielleicht 30 Grad herrschen.
(Stephan Brandner [AfD]: Wo sind denn
30 Grad? 30 Grad waren es schon seit mehreren Wochen nicht mehr!)
Es ist unsere Verantwortung, jetzt Wege zu finden, um
uns Stück für Stück aus dieser gefährlichen, aus dieser
teuren Abhängigkeit vom fossilen Gas, von den Fossilen
zu befreien, und auch dafür ist dieses Gesetz heute. Deswegen freue ich mich sehr, dass wir heute in zweiter und
dritter Lesung das Energieeffizienzgesetz beraten können. Das ist ein weiterer wichtiger Baustein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Dieses Gesetz sieht zum Beispiel vor, dass Unternehmen künftig durch Energiemanagementsysteme einen
guten Überblick haben über die Möglichkeiten, Energie
und oft gleichzeitig Geld zu sparen. Dieses Gesetz sieht
zum Beispiel vor, dass Abwärme verstärkt genutzt wird,
Abwärme, die natürlich die kostengünstigste, die umweltfreundlichste Art ist. Wenn man Wärme braucht
und sie woanders einfach schon da ist, man sie also gar
nicht mehr erzeugen muss, dann kann man diese Wärme
einfach nutzen. Natürlich ist das eine sehr, sehr gute Idee.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Dieses Gesetz bringt zum Beispiel auch die Unternehmen, bei denen Wärme anfällt, die die Unternehmen
selbst gar nicht verwerten können, und diejenigen, die
genau diese Wärme brauchen können, über das Abwärmeregister zusammen. So finden sich die verschiedenen
Partner. So entstehen neue Geschäftsmodelle. So wird
Geld gespart, und so wird Gas gespart.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Dieses Energieeffizienzgesetz macht zum Beispiel
auch Rechenzentren effizienter. Hier haben wir im parlamentarischen Verfahren sogar noch mal nachgelegt,
sodass neue Rechenzentren künftig die viel effizientere
Wasserkühlung einsetzen werden und nicht die ineffiziente Luftkühlung; auch das ist ein entscheidender
Schritt nach vorne.
Wir haben mit diesem Gesetz ein klares Ziel beim
Energieverbrauch, eine klare Zielmarke, die uns den
Weg weist und die natürlich klar im Einklang mit unserer
Gesamtplanung steht; ja, das passt zusammen. Wie viel
an Erneuerbaren können wir in welchem Tempo zubauen? Wie entwickelt sich der Energieverbrauch? Selbstverständlich ist an der Stelle eingeplant, dass sich neue
Unternehmen ansiedeln, selbstverständlich ist an der
Stelle eingeplant, dass es Elektrifizierung gibt, selbstverständlich ist das in einem Gesamtkonzept gerechnet.
Aber offensichtlich gab es hier immer wieder Menschen,
die das in Zweifel gezogen haben, und auch deshalb
haben wir es noch mal klargestellt.

Es gibt natürlich keine Verbrauchsobergrenze für Unternehmen oder Menschen; das war nie angedacht. Wenn
jemand so etwas behauptet hat, dann war das bestenfalls
Unverständnis, schlimmstenfalls üble Nachrede. Dass
wir als gesamtes Land ein Ziel haben, einen Plan haben,
das ist oft eingefordert worden, und das wird an dieser
Stelle eingelöst.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD)
Ein weiteres Missverständnis, dass ab und zu aufkommt, ist, dass gewisse Dinge für uns Grüne immer
absolut fix und in Stein gemeißelt sind; selbst bei unerwarteten und außergewöhnlichen Ereignissen würden
wir an allem festhalten. Nein, selbstverständlich nicht;
und auch das ist im Gesetz noch mal klargestellt.
Dieses Gesetz – ich habe es schon gesagt – macht uns
unabhängiger vom Gas. Es ist aber auch ein großer Standortvorteil. Denn natürlich gilt es, die Industrien zu stärken, die Wirtschaftszweige zu stärken, bei denen Wachstum da ist, die Zukunftsmärkte zu stärken, und genau das
ist die Energieeffizienzbranche. Auch das ist ein weiteres
Ziel dieses Gesetzes, diese Zukunftsbranche zu stärken.
Ich freue mich, dass wir ein Stück Planungssicherheit
geben können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
FDP)
Ich sage es ganz offen: Ja, wir Grüne hätten gerne noch
mehr gehabt an der Stelle. Ja, wir hätten gerne noch konkretere, an manchen Stellen weiter gehende Regelungen
gehabt, um das Thema Energieeffizienz noch stärker
nach vorne zu bringen. Ja, wir haben in der Ampel einen
Kompromiss gefunden. Wir haben bei diesem Gesetz
konstruktiv zusammengearbeitet, und wir haben ein Gesetz gemacht, das für uns alle drei nach vorne weist. Ich
glaube, das ist die richtige Art, mit diesem Thema umzugehen.
Ich will trotzdem noch einmal anfügen – auch mit
Blick auf die weiteren Debatten, die wir bei diesem ganzen großen Komplex haben werden –: Ich glaube, wir
brauchen dringend Ernsthaftigkeit, Ernsthaftigkeit in
der Frage der Energieversorgung von morgen. Man
kann sich nicht an einem Tag beschweren, dass Gas teuer
ist, am nächsten Tag sagen: „Ach nee, das LNG-Terminal
gefällt mir nicht“, am übernächsten Tag: „Ach nee, das
mit dem Windrad will ich auch nicht“ und „Vor allem
beim Effizienzgesetz habe ich Bedenken“.
Ich spreche Sie an, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der Union. Ich habe in den letzten Monaten diese
Ernsthaftigkeit vermisst, dass Sie mit uns um Lösungen
ringen, dass Sie mit konkreten Vorschlägen kommen, wie
wir diese Frage lösen können; denn sie löst sich nicht von
selber.
(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie löst sich nicht durch Schimpfen, und sie löst sich nicht
durch Nörgeln. Sie löst sich auch nicht dadurch, dass Sie,
wie in Ihrem Entschließungsantrag, einfach vorschlagen,
wir sollten EU-Recht brechen. Sie schreiben, wir sollten
keine absoluten Einsparvorgaben machen, aber Sie oder
zumindest Ihre Fachpolitiker müssten doch eigentlich
wissen, dass das nicht mit EU-Recht im Einklang ist.
Von daher: Nein, auch das ist keine Lösung, wie wir konstruktiv in die Zukunft kommen.
Ich denke, uns allen ist klar: Die Ebenen müssen zusammenarbeiten, und wir müssen von den Fakten ausgehen. Und ja, es sind schwierige Entscheidungen, die
anstehen. Ja, die Welt bleibt nicht einfach, wie sie ist,
indem man nichts tut, indem man nörgelt. Ja, wir müssen
handeln, wir müssen Verantwortung für die Energieversorgung der Zukunft übernehmen, für mehr Unabhängigkeit von Despoten, von klimazerstörenden, aber auch von
preistreibenden fossilen Energien. Das ist ein weiterer
wichtiger Schritt. Ich freue mich sehr, dass wir das Gesetz
heute abschließend beraten.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
FDP)