Offener Brief zum Netzentwicklungsplan an Wirtschaftsminister Peter Altmaier

Gemeinsam mit drei Kolleg*innen der GRÜNEN Bundestagsfraktion habe ich am 4. Januar dieses Jahres einen offenen Brief an den Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier geschrieben. Der Netzentwicklungsplan (NEP) muss für die Bürger*innen in Deutschland transparent darstellen, welchen Bedarf an Stromnetzenwir in Zukunft haben – unter Berücksichtigung der Erreichung unserer Klimaziele. Wo brauchen wir neue Trassen? Wo können bestehende Netze optimiert werden? Und wo kann durch das Abschalten fossiler Kraftwerke Leitungsbau eingespart werden? Nachfolgend finden Sie unseren gemeinsamen Brief.

Der Offene Brief wurde in unterschiedlichen Medien aufgegriffen. Unter anderem finden Sie hier einen Gastbeitrag von mir im Handelsblatt, der unsere GRÜNE Position nochmal deutlich macht: Link zu Handelsblatt.de

 

Sehr geehrter Herr Bundesminister Altmaier,

In Kürze soll der neue Netzentwicklungsplan (NEP) vorliegen. Er wird zentrale Weichenstellungen für die nächsten zehn bis 15 Jahre vornehmen und entscheidend sein für eine erfolgreiche Integration von erneuerbaren Energien in das Stromversorgungssystem.

Zugleich wird möglicherweise in diesem NEP zum ersten Mal ein höherer Bedarf an Stromnetzen sichtbar werden als in vergangenen Netzentwicklungsplänen. Dies erfordert eine besonders sorgfältige und transparente Planung.

Sie haben den Netzausbau zur Chefsache erklärt. Dafür müssen einige zentrale Punkte zur Netzentwicklung jetzt geklärt und für die Bürgerinnen und Bürger transparent gemacht werden. Die Menschen in unserem Land müssen nachvollziehen können, ob der Bau weiterer Stromleitungen tatsächlich notwendig ist oder vermieden werden könnte, ohne dabei die Ziele der Energiewende zu gefährden – zum Beispiel durch einen Ausstieg aus der Verstromung von Kohle oder einen intelligenteren Einsatz von Speichern. Dies schafft Klarheit, erhöht die Akzeptanz und ermöglicht einen zügigeren Netzausbau.

Wir fordern Sie daher auf klarzustellen:

  1. Inwiefern ein reduzierter Betrieb oder die gezielte Abschaltung von Kohlekraftwerken vor dem Netzengpass den Bedarf an neuen Leitungen verringert. Ebenso müssen die Ergebnisse der Kohlekommission in den NEP mit einberechnet werden.
  2. Durch welche Innovationen die bestehenden Netze künftig besser ausgelastet werden können. Daher bitten wir Sie neben anderen Innovationen zu prüfen, welche Vorteile es beispielsweise bringen würde, Netzbooster – große Batteriespeicher zur Stabilisierung des Stromnetzes – zunächst an kleineren Leitungen einzuplanen.
  3. Wieviel Netzausbau sich durch mehr regionale Flexibilität vermeiden lässt.
  4. Wie ein  Netz für 100% erneuerbare Energien aussehen müsste.
  5. Dass die Kosten für teure Netzeingriffe durch die Einigung mit der EU zum Vorrang von grenzüberschreitenden Stromflüssen nicht den Erneuerbaren zugeschrieben werden können.

 

Der Netzausbau ist zentral für den Erfolg der Energiewende, aber er ist auch für viele Menschen in diesem Land mit Eingriffen in ihre Umgebung verbunden. Deshalb setzen wir uns  für den notwendigen Netzausbau ein, achten aber auch darauf, dass keine Stromleitung gebaut wird, die wir nicht benötigen. Wenn die Öffentlichkeit den Bedarf transparent nachvollziehen kann, erhöht das die Akzeptanz für den notwendigen weiteren Netzausbau auf dem Weg zu 100% erneuerbaren Energien. Wir sehen darin einen zentralen Beitrag, den Netzausbau und die Energiewende insgesamt erfolgreich umsetzen zu können.

Völlig unverständlich und kontraproduktiv ist dagegen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien unter Verweis auf Netzengpässe verzögert wird. Für die Verlässlichkeit der Netzausbauplanung ist es vielmehr notwendig, dass der vereinbarte Ausbau erneuerbarer Energien auch tatsächlich stattfindet.

Es liegt in Ihrer Verantwortung, jetzt Investitionssicherheit zu schaffen, um den Anteil an erneuerbar erzeugtem Strom – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – auf mindestens 65% bis 2030 zu erhöhen. In den letzten Jahren sind wichtige Leitungen genehmigt und gebaut worden. Es ist absurd, dass trotz dieser Meilensteine immer noch keine Planungssicherheit für den Ausbau von erneuerbaren Energien ab dem Jahr 2022 besteht. Deshalb fordern wir Sie auf, dies schnellstmöglich zu ändern und einen verlässlichen Ausbaupfad für erneuerbare Energien bis 2030 festzulegen und mit Maßnahmen zu unterlegen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Julia Verlinden, Anton Hofreiter, Oliver Krischer und Ingrid Nestle

 

Versendet am 4. Januar 2019