Rund 10.475 Menschen wurde im Jahr 2018 in Schleswig-Holstein zwangsweise der Strom abgestellt. Deutschlandweit waren im selben Jahr fast 300.000 Menschen betroffen, wie sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Anfrage der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN ergibt. Dazu erklärt Bundestagsabgeordnete Ingrid Nestle:
„Wer keinen Strom hat, bleibt abends und morgens im Dunkeln, kann sich keine warme Mahlzeit zubereiten, keine Lebensmittel im Kühlschrank lagern und in manchen Fällen noch nicht einmal heizen, wenn es draußen kalt wird. Betroffen von solchen Sperren sind erwartungsgemäß vor allem Menschen mit geringem Einkommen oder in der Grundsicherung. Oft geraten Menschen mit den Zahlungen in Verzug, wenn eine einschneidende Veränderung in ihrem Leben stattfindet, zum Beispiel der Übergang in Rente oder Erwerbslosigkeit, eine Trennung, die Geburt eines Kindes oder Erkrankungen. Dabei hat der Staat eine Verpflichtung, die Menschen in solchen Situationen zu unterstützen. Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht 2010 und 2014 geurteilt, dass die Energieversorgung Teil des menschenwürdigen Existenzminimums ist.
Wir fordern daher, dass die Bundesregierung einen Frühwarnmechanismus zwischen Energieversorgern, Jobcentern und Sozialämtern einrichtet, damit die Energieschulden rechtzeitig erkannt werden. Bundesweit muss sie die Energiespar- und Schuldnerberatungen für Menschen mit geringem Einkommen verbessern und die Folgekosten, also steigende Mahngebühren bei Stromsperren deckeln, um einer Verschuldungsspirale vorzubeugen.
Besonders aber bei der Unterstützung von Menschen in der Grundsicherung gibt es erheblichen Reformbedarf. Die Regelsätze bei der Grundsicherung sind ohnehin schon so sehr auf Kante genäht, dass Menschen kaum ihre täglichen Bedarfe decken können. Seit der Einführung von Hartz IV sind die Stromkosten stärker gestiegen als der Stromkostenanteil im Regelsatz. Für Menschen in der Grundsicherung braucht es daher eine separate Stromkostenpauschale, welche jährlich an die Strompreisentwicklung angepasst wird und ein Ende der Praxis, dass Ämter bei der Unterstützungsleistungen für Unterkunft und Heizung kürzen dürfen. Die aktuellen Zahlen zeigten: Die Bundesregierung darf das Problem der Energiearmut in Deutschland nicht länger klein reden.“