Anlässlich der Berichterstattung im Spiegel zu einem neuen Vorschlag für die zukünftige Nutzung der 450 MHz Frequenzen erklärt Dr. Ingrid Nestle, energiewirtschaftliche Sprecherin der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
„Wenn wir eine funktionierende Energiewende wollen, dann müssen wir der Energiewirtschaft auch die notwendigen Instrumente zur Verfügung stellen und zwar ohne weitere Verzögerungen. Ohne die 450 MHz Frequenzen können die Energienetze erst in Jahren intelligent gesteuert werden. Aber wir brauchen heute intelligente Versorgungssicherheit, nicht erst in 10 Jahren.
Der sogenannte Kompromissvorschlag aus der Feder des BMI und des BMVI die Frequenzen einer neu zu gründenden „gemeinsamen Gesellschaft“ zuzuteilen und die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) mit dem Aufbau eines neuen Netzes zu betrauen ist darum schlichtweg untauglich.
Allein der Aufbau einer neuen Gesellschaft wird Monate, wenn nicht gar Jahre beanspruchen. Dass Bundesverkehrsminister Scheuer scheinbar ganz angetan von dem Vorschlag ist, macht auch keine Hoffnung – zeichnen sich einige Projekte von ihm doch vor allem durch horrende Kosten und Rechtswidrigkeit aus.
Bereits jetzt bestehen erste Zweifel, ob eine solche gemeinsame Gesellschaft, geplant als Public Private Partnership, überhaupt mit dem Telekommunikationsrecht, der Bundeshaushaltsordnung und dem Beihilferecht vereinbar wäre.
Es ist mir vollkommen unklar, warum die BDBOS in einem zeitintensiven Prozess eine vollkommen neue Struktur aufbauen soll. In der Energiewirtschaft liegen bereits geeignete Strukturen, Erfahrungen und abgeschlossene Planungen vor. Zudem haben bereits mehrere Gutachten, darunter auch das vom BMI selbst beauftragte, gezeigt, dass eine geteilte Frequenznutzung der Energiewirtschaft weder ein schwarzfallfestes Funknetz noch den Betrieb der gerade erst eingebauten Smart-Meter-Gateways ermöglicht. Die Verwaltung der gemeinsamen Nutzung durch eine neue Gesellschaft ändert an diesem Umstand nichts.
Darum fordere ich, dass das kurz vor dem Abschluss stehende reguläre Frequenzvergabeverfahren der BNetzA ordnungsgemäß durchgeführt wird und keine politisch und rechtlich zweifelhaften Sonderlösungen produziert werden, die den Erfolg der Energiewende riskieren.“
Hintergrund:
Am 22.09.2020 veröffentlichte der SPIEGEL basierend auf ihm vorliegenden internen Dokumenten einen Bericht über einen neuen Kompromissvorschlag zum Streit um die 450MHz Frequenzen zwischen der Energiewirtschaft und der Bundesanstalt für den Digitalfunk den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) [externer Link zu Spiegel.de] . Der Beirat der BNetzA hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrmals für die Zuteilung der Frequenzen an die Energiewirtschaft ausgesprochen. Ein von der Bundesregierung beauftragtes Gutachten von WIK consulting GMbH und umlaut AG ergab zudem dass eine geteilte Nutzung sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich kritisch zu beurteilen seien.