Auftakt der Weltklimakonferenz in Katowice
Bereits bei meiner Ankunft in Katowice ist der klaffende Canyon zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Klimapolitik mit Händen zu greifen. Die Fakten zur Klimakrise liegen klar auf dem Tisch. Und selbst wenn viele nach dem Dürresommer, den verheerenden Bränden in Kalifornien und immer häufigeren Überschwemmungen gemerkt haben, dass etwas nicht stimmt: Die Prognosen für die Zukunft sind weitaus beunruhigender, als man derzeit ahnen kann. Denn die derzeitigen Probleme erleben wir bei 1 Grad Erhitzung. Und politisch sind wir als Weltgemeinschaft weit davon entfernt, auch nur das 2-Grad-Ziel zu halten. Schon ohne selbstverstärkende Effekte laufen wir derzeit auf 3-4 Grad zu. Mit diesen Effekten wird es wahrscheinlich mehr sein.
Den Verhandler*innen in Katowice ist das sehr bewusst. Zumindest wird die Verantwortung in zahlreichen Redebeiträgen ganz klar benannt. Aber haben die Verhandler*innen auch die nötige Rückendeckung ihrer Regierungen zu Hause, um die notwendigen Maßnahmen zu vereinbaren?
Am ersten Tag geht es jedenfalls erstmal um Unterstützung für die Leute, die durch den Kohleausstieg ihren Job verlieren könnten. Das ist ohne Frage ein wichtiges Thema und wir alle wollen die Regionen im Wandel unterstützen. So gut unterstützen, dass sie hinterher mit Zukunftsjobs besser dastehen als ohne Klimapolitik. Aber die Debatte darf nicht bei der Frage von Strukturhilfen für Kohleregionen stehen bleiben. Sie muss viel stärker als bisher dafür sorgen, dass Emissionen endlich reduziert werden, anstatt wieder anzusteigen.
Konkret geht es in dieser Konferenz darum, dass ein verlässliches Regelbuch verabschiedet wird, mit dem die Beschlüsse von Paris umgesetzt werden können. Vergleichbare Bilanzierungen sind notwendig, damit die Staaten sich gegenseitig aufeinander verlassen können und auch die Zivilgesellschaft glasklar erkennen kann, welche Fortschritte gemacht werden.
Es geht darum, die Finanzierung von Klimaschutz und Klimaanpassung für die ärmsten Länder langfristig ausreichend zu sichern.
Und es geht darum, dass die Länder sich verpflichten, bei sich zu Hause deutlich mehr zu machen als bisher versprochen. Mit Sicherheit werden unsere Kinder und Enkel eines Tages fragen, wie das damals war bei den Klimakonferenzen und warum wir so lange nicht ernsthaft gehandelt haben. Noch können wir dafür sorgen, dass die Antwort heißt: Aber dann haben wir zum Glück verstanden!
Nach zwei intensiven Verhandlungswochen ist es nun an der Zeit, die Ergebnisse zu bewerten. Den positiven Teil meiner Einschätzung vorweg: Internationale Klimadiplomatie ist und bleibt der richtige Ansatz! Dieses globale Problem können wir nur international lösen. Trotz Bremserländern wie Brasilien, Saudi-Arabien, Russland und den USA konnten immerhin die Regeln für die Umsetzung des Paris-Abkommens festgelegt werden. Ab dem Jahr 2024 berichten alle Staaten nach vergleichbaren Methoden, wie ihre CO2-Minderungsbeiträge ausfallen. Alle fünf Jahre müssen neuen Zahlen vorgelegt werden. Zwar hätte ich mir eine Einführung bereits ab dem Jahr 2022 gewünscht, dennoch bin ich froh, dass an diesem Punkt Einigkeit erzielt werden konnte.
Im Hinblick auf die Finanzierung des Klimaschutzes gibt es ebenfalls Licht und Schatten. Zwar wird die finanzielle Unterstützung für vom Klimawandel bedrohte Entwicklungsländer auch über das Jahr 2025 hinaus fortgeführt. Allerdings beschränken sich die Zahlungen für Maßnahmen zur Anpassung an die Klimakrise sowie die Minderung von Treibhausgasen. Entschädigungszahlungen für bereits entstandene Schäden in betroffenen Ländern gibt es nicht. Leider ist die Staatengemeinschaft an diesem wichtigen Punkt nicht ihrer Verantwortung nachgekommen.
Versäumt wurde auch die große Chance, angemessene und damit höhere CO2-Sparziele zu beschließen. Der diesjährige IPCC-Bericht hat die Notwendigkeit nochmals in dramatischer Weise verdeutlicht. Die sogenannte „High Ambition Coalition“ hat im Rahmen der Konferenz einen wichtigen Vorstoß für mehr Ambitionen gemacht – am Ende leider ohne Erfolg. Ich hoffe, dass die Unterzeichnerländer des “ Statement on stepping up climate ambition“ auch nach Katowice mit gutem Beispiel vorangehen und ambitionierten nationalen Klimaschutz betreiben – und dass die anderen Länder dem Beispiel folgen und ebenfalls ihren Beitrag leisten.
Dieser Wunsch führt mich auch zur eigentlichen Erkenntnis des Klimakonferenz. Für viele mögen die Ergebnisse enttäuschend sein. Viel, viel mehr wäre notwendig. Auf der anderen Seite gab es während der Konferenz viele Signale von Staaten die Hoffnung machen. Jetzt kommt aber erst die Stunde der Wahrheit: denn Klimaschutz muss jeder bei sich zu Hause konkret umsetzen. Nur wenn viele Länder nun vor Ort ihre Hausaufgaben machen, kann ein Signal für den Klimagipfel 2020 ausgehen, auf dem die Ambitionsziele endgültig nachgeschärft werden müssen. Und da muss auch bei uns in Deutschland noch viel, viel mehr passieren.