Allgemeiner Teil:
Klimaschutz findet auch auf unseren Straßen, Schienen und Wegen statt. Wir benötigen nicht nur klimaneutrale Technologien, sondern auch eine veränderte Art der Mobilität und echte Alternativen für die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb unterstütze ich voll und ganz, dass die im LNVP-Entwurf vorgeschlagenen Maßnahmen zügig umgesetzt werden. Ein attraktives Angebot im öffentlichen Nahverkehr und Fernverkehr kann nur mit deutlich dichteren Takten, hoher Zuverlässigkeit und sehr guter Einbindung von Bahnhöfen gelingen.
In Schleswig-Holstein verursacht der Straßenverkehr rund 5,3 Mio.t CO2 im Jahr (MELUND 2021). Davon sind rund zwei Drittel dem PKW-Verkehr zuzurechnen. Die Umstellung auf klimaneutrale Antriebe kann nur einen Teil der notwendigen Reduzierung leisten. Zur Erreichung der Klimaneutralität und der entsprechenden Verlagerung von Personen- und Güterverkehren auf die mehrfach energieeffizientere Schiene werden die Maßnahmen aus dem LNVP-Entwurf nach meiner Einschätzung allerdings nicht ausreichen. Es ist daher „höchste Eisenbahn“, zusätzlich zu den jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen einen Gesamtplan Schiene für Klimaneutralität in Schleswig-Holstein aufzustellen. Dabei darf Streckenneubau kein Tabu sein, die Kapazitäten der Bahnhöfe müssen beachtet werden und er muss im Einklang mit Klimaneutralität unseren hohen Mobilitätsbedürfnissen im Personen- und Güterverkehr gerecht werden. In der Vergangenheit wurden von der Politik immer wieder über Jahrzehnte Einzelprojekte verfolgt, die bei Fertigstellung schon nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. Die Mobilität der Zukunft erreichen wir nicht auf veralteten Wegen.
Der LNVP weist mit den Zielen „klimaneutraler Schienenverkehr“ und „20% mehr Nachfrage gegenüber 2019“ in die richtige Richtung. Quantitativ reicht letzteres leider nicht aus. Beispielsweise hat sich die Bundesregierung vorgenommen, bis 2030 die Fahrgastzahl zu verdoppeln (Koalitionsvertrag 2017), was angesichts der Herausforderungen der Klimakrise ein geringes Ziel darstellt. Der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in Schleswig-Holstein hatte 2018 (vor Corona), mit 6 Mio. Personenkilometern/Jahr Verkehrsleistung einen Anteil von nur 7% (OdeS, 2021). Eine Steigerung um 20% ist hier also zu wenig. Wir müssen jetzt anfangen ausreichend Kapazitäten zu schaffen, die es Menschen und Logistikern erst ermöglichen, in relevanter Größenordnung auf die Schiene umzusteigen.
Planung und Finanzierung:
Bei der Planung und der Auswahl von Schienenprojekten ist zu beachten, dass deren Umsetzung,
1. zumeist mehrere Jahre dauert
2. oft sprungartig große Verbesserungen bringen
3. heute bereits großzügig geplant werden sollte, um später weiter steigenden Verkehrsmengen gerecht zu werden. Eine zu geringe Dimensionierung lässt sich auf Jahrzehnte hin schlecht erweitern – eine Zeitspanne, die wir angesichts der Klimakrise nicht mehr haben werden.
Daraus folgt:
1. Bis 2030 können Ausbauprojekte notwendige Verbesserungen und Fahrgastzahlenzuwächse erbringen. Dazu zählen neben kleineren Investitionen beispielsweise:
o Elektrifizierungen
o Zusätzliche Gleise außerhalb von Siedlungen
o Reaktivierungen.
2. Im Zeitraum bis 2035 können größere Projekte weitere Kapazitäten und Attraktivitätssteigerungen
erbringen, die für die Verlagerung von Straßenverkehr auf die Schiene notwendig sind. Dazu zählen
beispielspeise:
a. Neubau von Strecken
b. Aufbau von Stadtbahnen.
3. Die lange Vorlaufzeit erfordert einen sofortigen Planungsbeginn aller Projekte, die im LNVP genannt
werden und zusätzlich das Erarbeiten eines Gesamtkonzeptes für den Norden, das weitaus höhere
Fahrgastzahlensteigerungen ermöglicht.
Die bislang begrenzte Planung von Projekten basiert auf den Begrenzungen der heutigen finanziellen
Rahmenbedingungen. Deren Verbesserung ist aber durchaus wahrscheinlich. So steigen die Mittel des
Bundes-GVFG von ehemals 333 Mio.€ pro Jahr (bis 2019) auf 1 Mrd.€ pro Jahr (2021) und 2 Mrd.€ pro Jahr (ab
2025). Mögliche weitere Erhöhungen oder neue/erweiterte Bundesprogramme z.B. zu Elektrifizierungen
durch eine neue Bundesregierung sind hier noch nicht einmal berücksichtigt. Zudem fordert §1 (2) ÖPNVGSH:
„Grundsätzlich soll dem Ausbau und der Finanzierung des ÖPNV, einschließlich der Schnittstellen zwischen
den Verkehrsträgern, Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden.
Es ist daher sinnvoll ein umfassendes Konzept für Schleswig-Holstein sowie die Nachbarländer zu erarbeiten
und mit den Planungen für die dann identifizierten Projekte zu beginnen, auch wenn noch nicht sofort die
vollumfängliche Finanzierung gesichert erscheint. Es ist klar, dass bei der Größe der notwendigen
Maßnahmen, das Land diese nicht alleine schaffen kann, sondern der Bund sich viel stärker beteiligen muss.
Beispiele für den südwestlichen Teil des Landes:
Ich begrüße, dass sowohl die Elektrifizierung der Marschbahn als auch die S4-West zu den priorisierten
Projekten gehören. Ich begrüße den Ansatz den dreigleisigen Ausbau Elmshorn – Pinneberg abschnittsweise
auf vier Gleise auszuweiten. Bei der S4-West ermöglicht die vorgesehene Planung allerdings nur einen 20-
Minuten-Takt. Dies spiegelt sich auch in der Meldung zum Deutschlandtakt so wieder. Zur Erreichung der
Klimaneutralität in Verbindung mit komfortabler und günstiger Mobilität halte ich hier 10-Minuten-Takte für
notwendig.
Eine Querspange im Norden Hamburgs ist von besonderer Bedeutung. Auf der parallelen A23 fährt rund ein
Drittel aller Kraftfahrzeuge bereits in Eidelstedt ab, um in die nordwestlichen Teile der Hansestadt zu fahren.
Hier fehlt heute eine entsprechende Zugverbindung. Daher halte ich die Planung eines Stundentaktes auf die
Güterumgehungsbahn in Hamburg bis nach Hamburg-Barmbek inklusive der Reaktivierung Uetersen –
Tornesch nicht nur für sinnvoll. Sie sollte auch priorisiert und auf dichtere Takte ausgelegt werden.
Darüber hinaus ist der Ausbau der Strecke (Itzehoe -) Wilster – Brunsbüttel zwar im Bundesverkehrswegeplan
vorgesehen. Er muss aber auch inklusive einer Elektrifzierung weiter vorangetrieben werde, was auch eine
Reaktivierung im Personenverkehr ermöglichen würde.
Wichtig ist auch eine Querverbindungen im Norden Hamburgs wie z.B. die Strecke Elmshorn – Barmstedt –
Ulzburg zu stärken, um die Westküste besser mit den Orten am Nordrand Hamburgs zu verbinden.