Gastbeitrag: Zukunft der Photovoltaik-Anlagen: Chancen des Prosumer-Modells für den Kohleausstieg nutzen

Photovoltaik spielt die ganz große Zukunftsmusik. Sie ist inzwischen unschlagbar günstig, unbestritten umweltfreundlich, von allen geliebt. Trotzdem hat die Koalition erst Mitte Mai gegen die Abschaffung des Solardeckels gestimmt – ein Desaster.

Der Deckel muss weg. Und es ist der richtige Zeitpunkt darüber nachzudenken, wie die Solar-Politik noch weiter verbessert, der Ausbau beschleunigt und die Rahmenbedingungen unbürokratischer werden können. Zu Unrecht gefürchtet wird in der Debatte das Prosumer-Modell der Bundesnetzagentur, das in den letzten Wochen viel Aufmerksamkeit erregt hat. Leider kursieren nicht zuletzt auf YouTube eine Reihe völlig falscher Behauptungen zu dem Modell. Leicht weiterentwickelt ist es ein Vorschlag, der folgende Qualitäten auf sich vereint:

  • schnell viel PV ausbauen
  • Bürgerenergie stärken
  • Anreize für PV auf möglichst allen Arten von Dächern und für große Anlagen setzen
  • skalierbar, das heißt auch bei sehr großen Mengen PV-Strom ist die Stabilität des Systems garantiert
  • unbürokratisch
  • verlässliche und berechenbare Förderung
  • viel PV-Strom für das Geld aus dem Energiewendekonto
  • Anreiz Speicher intelligent zu betreiben.

Folgende Umsetzung wäre zum Beispiel sinnvoll: Die Betreiber von PV-Anlagen können wählen zwischen zwei attraktiven Möglichkeiten. Bei der einen mit intelligentem Zähler und einem Stromvertrag, der Lastverschiebung belohnt, kann die Befreiung von der EEG-Umlage noch ausgeweitet werden. Der aktive Prosumer wird zur tragenden Säule des Kohleausstiegs, weil er mit seiner PV-Anlage und je nach Wunsch seinem intelligenten Speicher, seiner Wärmepumpe, seinem E-Auto und anderem dazu beiträgt, die Stromversorgung auch ohne die regelbaren Dreckschleudern Kohlekraftwerke stabil zu halten.

Die zweite Möglichkeit ist gut für alle, die es gerne einfach haben: physischer Verbrauch von Sonnenstrom im eigenen Haus wird gekoppelt mit der für Betreiber unkompliziertesten Regel, die es je gab: über nur eine vertragliche Beziehung zum Lieferanten wird garantiert, dass jede produzierte Kilowattstunde Sonnenstrom 12 Cent einbringt. Der Übertagungsnetzbetreiber übernimmt wie bisher die Wetterprognose und professionelle Einbindung ins System über das EEG-Konto. Die Abrechnung erfolgt aber über den Stromlieferanten. Kann der Betreiber oder die Betreiberin den Strom gerade nicht sinnvoll bei sich einsetzen, kann sie den Strom ins Netz abgeben und später oder früher zu den gleichen Konditionen Strom aus dem Netz beziehen. Das Netz dient also quasi als virtueller Speicher, ohne dass dafür Geld verlangt wird. Genial daran ist, dass dadurch die Netzkosten auch für alle anderen Stromkunden sogar tendenziell sinken, weil weniger Regelenergiebedarf anfällt als im klassischen Eigenstromprivileg.

Dieser Vorschlag ist geeignet, den PV-Ausbau wieder deutlich zu beschleunigen und die Bedingungen für die Investoren zugleich verlässlicher und attraktiver zu gestalten. Denn es ist an der Zeit über Konzepte nachzudenken, bei denen die Attraktivität von PV nicht daran hängt, dass die EEG-Umlage hoch ist. Genau das ist aber beim klassischen Eigenstromprivileg der Fall: Nicht umsonst wurde in diesem Magazin vor kurzem vor einer Senkung der EEG-Umlage und den dadurch ausgelösten Gewinneinbußen im Eigenstromprivileg gewarnt. Aber es kann nicht unser Ziel sein, auf Dauer eine möglichst hohe EEG-Umlage zu etablieren. Es würde auch gar nicht gelingen: Zum einen ist der politische Druck zur Absenkung sehr hoch, zum anderen sind Wind und PV einfach nicht mehr teuer. Nach Ausscheiden der älteren Anlagen aus der Vergütung wird die EEG-Umlage unweigerlich sinken. Es ist Zeit darüber nachzudenken, wie ein wirklich zukunftsfestes, unkompliziertes, skalierbares und attraktives Modell für den Zubau von PV aussehen kann.

 

Der Gastbeitrag ist am 18. 05.2020 bei PV Magazine Online erschienen und kann hier eingesehen werden.