Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ukrainekrise hat viele dramatische Folgen. Sie hat gefährliche Folgen für die Gasversorgung unserer Industrie, aber auch für das Wohnen, für die Frage: Haben Menschen ein warmes Dach überm Kopf?
Die vielen, vielen Geflüchteten aus der Ukraine können natürlich nicht alle in den Nachbarländern bleiben, sondern viele sind auch bei uns. Deswegen wird in diesem Gesetz auch – das ist eine Aufgabe mit hoher Dringlichkeit – für Erleichterungen beim Bau zur rechtzeitigen Fertigstellung neuer Unterkünfte gesorgt. Aber es geht natürlich auch darum, dass die Häuser, die wir längst haben, auch im nächsten Winter warm sein müssen.
Auch das ist ein ganz zentraler Bestandteil dieses Gesetzentwurfes: Wie sorgen wir dafür, dass die Gasspeicher zum nächsten Winter tatsächlich gut gefüllt sind, sodass wir guten Mutes in den Winter gehen können? Denn schon letztes Jahr haben wir gesehen, dass die Speicher, die von Gazprom-Töchtern betrieben worden sind, erstaunlich leer in den Winter gegangen sind. Russland nutzt unsere Abhängigkeit von fossilen Energien, um Druck, um massiven Druck auf uns auszuüben, und das wollen wir beenden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich glaube, wir wissen gar nicht mehr, was für ein Schatz unsere sichere Energieversorgung ist, und ich frage mich, ob wir es am Ende des übernächsten Winters immer noch nicht wissen. Mein Eindruck ist, dass der Ernst der Lage noch nicht überall erkannt ist. Auch deshalb ist dieses Gesetz so wichtig und so dringend. Es ist ein Baustein in einem großen Puzzle, das wir legen und zusammensetzen müssen, um von den fossilen Energien unabhängig zu werden und um Energiesicherheit wiederherzustellen.
Kurzfristig geht es aber eben auch darum, die Energie für den nächsten Winter bereitzustellen. Deshalb dieses Gesetz, das dafür sorgt, dass diejenigen, die die Gasspeicher nutzen, sie tatsächlich auch befüllen müssen und sie nicht strategisch gegen uns verwenden dürfen. Wir versuchen dabei, soweit es geht, auf marktliche Instrumente zurückzugreifen. Wir sagen aber: Da, wo sie nicht mehr funktionieren, greifen wir regulierend ein, weil die Sicherheit der Versorgung mit Gas im Winter das höhere Gut ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Ich gehe auf ein paar weitere Änderungen ein, die wir im parlamentarischen Verfahren jetzt noch eingebracht haben.
Wichtig ist uns, dass, wenn tatsächlich der Marktgebietsverantwortliche auf Kosten der Gaskunden selbst Kapazitäten buchen muss, um die Speicher für den kommenden Winter zu befüllen, klargestellt ist, zu welchen Kosten er dies tut, nämlich zu den durchschnittlich kostengünstigsten Entgelten der letzten drei Jahre. Das bedeutet: Die Bundesnetzagentur berechnet den Durchschnitt der Auktionserlöse für jeweils ein Jahr, und das machen wir für die drei zurückliegenden Jahre. Von den so ermittelten drei Durchschnittswerten für die Einzeljahre nehmen wir das kostengünstigste Entgelt.
Wir haben aber auch noch einmal klargestellt, dass der Marktgebietsverantwortliche – das ist bei uns in Deutschland Trading Hub Europe –, der tatsächlich eine wichtige Rolle in dem Gesetz spielt, nicht derjenige ist, der entscheiden darf oder muss, sondern dass letztlich das Bundesministerium die Entscheidung trifft. Wir wollen ganz bewusst einen Entscheidungsspielraum haben. Wenn es auch im Sommer extrem hohe Gaspreise und extreme Knappheiten bei der Anlieferung von Gas geben sollte, kann das Bundesministerium die Entscheidung treffen: Na gut, dann ist es vielleicht besser, nur mit 85 Prozent Speicherstand in den Winter zu gehen. – Das ist nicht ganz so bequem, aber es ist immer noch viel bequemer als ein Embargo. Aber: Wir zahlen nicht jeden Preis, wir zahlen nicht jeden Preis für Gas an Putin.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Die Lage ist ernst, und das ist natürlich nur ein Puzzlestein. Es geht darum, den Ausbau der erneuerbaren Energien auf allen Ebenen jetzt in den richtigen Turbo zu bringen. Es geht darum, Energieeffizienz voranzubringen, gerade bei den schlechtesten Gebäuden. Es gibt ganz, ganz viel zu tun. Ich freue mich, dass wir einen Puzzlestein hier und heute in diesem Plenum legen können.
Danke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Andreas Jung für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)